Wie reagieren Ostschweizer Betriebe auf Handels- und Geopolitik?
Jan Riss / IHK St.Gallen-Appenzell

Die IHK St.Gallen-Appenzell und die IHK Thurgau haben diese strategischen Fragen in einer gemeinsamen Unternehmensumfrage adressiert. Sieben von zehn international tätigen Unternehmen bestätigen, dass internationale Geschäftsbeziehungen in den vergangenen fünf Jahren schwieriger oder umständlicher geworden seien. Als besonders herausfordernd bewerten die befragten Betriebe die internationalen Spannungen, die derzeit von der US-Handelspolitik ausgehen (siehe Abbildung 1).
Die Wachstums- und Wettbewerbsprobleme in Deutschland sowie das unklare Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU werden von jeweils mehr als einem Drittel der Unternehmen zu den Top-3-Herausforderungen gezählt. 28% der Unternehmen sehen sich mit Cyberrisiken und Gefahren für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen konfrontiert. Je rund ein Fünftel nennt zudem die politische (In-)Stabilität innerhalb der EU, allgemein zunehmende Handelshemmnisse sowie die demografische Alterung als zentrale Herausforderungen.

Abbildung 1: Geopolitische, handelspolitische bzw. makroökonomische Themen, die als grösste Herausforderungen für den mittel- bis langfristigen Erfolg des Unternehmens betrachtet werden (maximal 3 Antworten möglich).
Betriebe zeigen sich anpassungsfähig
Angesichts dieser Herausforderungen zeigen die Ostschweizer Unternehmen eine beeindruckende Resilienz. Vier von fünf Betrieben sind überzeugt, über ausreichend Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit zu verfügen, um unvorhergesehene handels- oder geopolitische Ereignisse zu meistern (vgl. Abbildung 2). Diese Anpassungsfähigkeit zeigt sich konkret in der Umgestaltung der eigenen Wertschöpfungsketten. 40% der befragten Unternehmen haben in den vergangenen fünf Jahren ihre Zulieferer diversifiziert. Je rund ein Drittel erhöhte seine Lagerbestände oder passte Verträge mit Lieferanten und Kunden an.

Abbildung 2: Beurteilung von Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit des eigenen Unternehmens bei unvorhergesehenen handels- und geopolitischen Ereignissen
Absatzmärkte verschieben sich
Auch in Bezug auf die Absatzmärkte zeigen sich Diversifikationsstrategien. Ein Drittel der Befragten erwartet, dass die Schweiz als Absatzmarkt an Bedeutung gewinnt, während nur drei Prozent einen Bedeutungsverlust sehen (vgl. Abbildung 3). Demgegenüber dürften die Vereinigten Staaten aufgrund ihrer Zollpolitik an Relevanz als Absatzmarkt verlieren. Für alle weiteren Märkte überwiegen nach Einschätzung der Unternehmen die Wachstumschancen. Allen voran Europa, wo bereits heute über 60% der Ostschweizer Warenausfuhren hingehen, dürfte gemäss Rückmeldungen an Bedeutung gewinnen. Auch Indien steht im Rampenlicht: Rund 28% der Befragten erwarten für das eigene Unternehmen eine steigende Relevanz des mit 1.4 Milliarden Personen bevölkerungsstärksten Landes – mutmasslich gestützt durch das neue Freihandelsabkommen.

Abbildung 3: Mittel- bis langfristige Veränderungen von Absatzmärkten für das eigene Unternehmen
Bilaterale Verträge mit grosser Bedeutung
Folglich beurteilen 86% der Unternehmen die bilateralen Verträge mit der EU insgesamt als wichtig (vgl. Abbildung 4). Der zollfreie Warenverkehr, der Abbau technischer Handelshemmnisse sowie der Zugang zu Fachkräften werden von den Unternehmen als die drei bedeutendsten Aspekte der Beziehungen mit der EU genannt. Auch Freihandelsabkommen mit Ländern ausserhalb der EU beurteilen die Mehrheit der Unternehmen als wichtig, wenn auch mit geringerer Zustimmung.

Abbildung 4: Bedeutung der bilateralen Verträge mit der EU
Informationen zur Umfrage
An der Umfrage beteiligten sich zwischen dem 15. und 25. August 2025 insgesamt 209 Unternehmen aus der ganzen Ostschweiz, von denen 182 internationale Geschäftsbeziehungen unterhalten (Lieferanten, Kunden, Zweigniederlassungen/ Tochtergesellschaften, Investoren oder
Kooperationen).