Stress am Arbeitsplatz: Wie bleiben wir mental gesund?
Fiona Rast
Psychische Erkrankungen führen zu erhöhten Absenzen am Arbeitsplatz und können die Produktivität erheblich beeinträchtigen. 2022 verursachten Produktivitätsverluste durch arbeitsbedingten Stress in der Schweiz Kosten von 6,5 Milliarden Franken, was 13% der gesamten Produktionsausfälle ausmacht. Der grösste Teil davon entfällt mit 75% auf Mitarbeitende, die trotz Anwesenheit am Arbeitsplatz aufgrund von Stress nur eingeschränkt leistungsfähig sind. Die restlichen 25% sind auf stressbedingte Absenzen zurückzuführen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die psychische Gesundheit nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung ist.
Job-Stress-Index als Gefährdungsindikator
Als Indikator für die psychische Belastung von Erwerbstätigen entwickelte die Gesundheitsförderung Schweiz den Job-Stress-Index: Dieser misst das Verhältnis zwischen den Anforderungen am Arbeitsplatz und den zur Verfügung stehenden Ressourcen zu deren Bewältigung. Ein hoher Indexwert weist darauf hin, dass die beruflichen Anforderungen die persönlichen Ressourcen der Mitarbeitenden übersteigen, was zu erhöhtem Stress und negativen Auswirkungen auf die Gesundheit führen kann. Gemäss dem Index litten 28% der Erwerbstätigen in der Schweiz im Jahr 2022 unter kritischem Stress.
Die untersuchten Ressourcen und Belastungen der Erwerbstätigen im Job-Stress-Index 2022.
Ausmass der psychischen Belastung am Arbeitsplatz
Diese Zahlen werden auch durch die Ergebnisse der schweizerischen Gesundheitsbefragung bestätigt. 2022 gaben 25% der erwerbstätigen Frauen und 21% der erwerbstätigen Männer an, sich bei der Arbeit meistens oder immer gestresst zu fühlen. Davon waren mehr als die Hälfte bei der Arbeit emotional erschöpft und hatten ein erhöhtes Burnout-Risiko. Zusätzlich litten 11% der Erwerbstätigen an depressiven Symptomen, wobei die Zahlen in stressbelasteten Berufen wie Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Dienstleistungssektor noch höher liegen. Im Allgemeinen sind die Werte in den vergangenen Jahren gestiegen, insbesondere bei den Frauen. Dazu sind auch junge Menschen im Alter zwischen 15 und 34 Jahren besonders betroffen. Über 30% dieser Altersgruppe geben an, häufig unter Stress am Arbeitsplatz zu leiden.
Verschiedene Faktoren wirken belastend
Stress am Arbeitsplatz kann sowohl durch unternehmensinterne als auch -externe Faktoren ausgelöst werden. Hoher Arbeitsdruck, strikte Deadlines, Zeitmangel und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben überfordern viele Mitarbeitende und können zu einer höheren Belastung führen. Fehlende Unterstützung und mangelnde Wertschätzung im Team verstärken das Gefühl von Überforderung und Isolation. Diese Belastungen erhöhen das Stressniveau und beeinträchtigen die Gesundheit. Betroffene weisen emotionale Erschöpfung auf, welche zu Depressionen oder Angststörungen führen kann. Die Konzentration lässt nach und die Leistungsfähigkeit sinkt, was letztlich zu Produktivitätsverlusten führt. Ein weiteres häufiges Anzeichen von Stress sind Schlafstörungen, die sich negativ auf die Erholung und damit auf die allgemeine Gesundheit der Beschäftigten auswirken.
Betriebliches Gesundheitsmanagement als wichtige Ressource
Die Studie "BGM-Monitoring 2022" des Forum BGM Ostschweiz zeigt die Umsetzung von Massnahmen im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements in Unternehmen auf. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen setzt sich aktiv für die Förderung der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeitenden ein. Dieses Ergebnis verdeutlicht das wachsende Bewusstsein für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Das Forum BGM Ostschweiz und das Ostschweizer Forum für Psychische Gesundheit unterstützen Unternehmen dabei, psychische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und präventive Massnahmen zu stärken. Denn Unternehmen können einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie gesunde Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz schaffen und die Gesundheitskompetenz ihrer Mitarbeitenden fördern. Beispiele hierfür sind Resilienzprogramme sowie eine klarere Aufgabenverteilung. Ebenso ist die Förderung der sozialen Unterstützung am Arbeitsplatz entscheidend: Ein offenes Kommunikationsklima und regelmässiges Feedback können das Wohlbefinden steigern und psychische Belastungen reduzieren.
Bestandteil der Personalstrategie
Die Herausforderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz erfordert ein umfassendes Verständnis der sich verändernden Arbeitsbedingungen und ihrer Auswirkungen. Gezielte Massnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements sollten ein integraler Bestandteil der Personalstrategie sein. Ein proaktiver Umgang mit diesem Thema im Unternehmen ist nicht nur wichtig, um die Lebensqualität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern, sondern trägt auch zur Steigerung der Produktivität und zur Senkung der volkswirtschaftlichen Kosten bei. Dies zeigt, dass psychische Gesundheit nicht nur im Fokus der Gesundheitsförderung stehen sollte, sondern auch als strategischer Erfolgsfaktor für Unternehmen gilt.