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Die Schweiz auf dem Weg zum führenden KI-Standort

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wird auf fast alle Bereiche unserer Wirtschaft und Gesellschaft einen Einfluss haben. Bezüglich der Entwicklung und Anwendung von KI will die Schweiz in der obersten Liga mitspielen. Sowohl Forschungsinstitutionen als auch Unternehmen arbeiten intensiv daran.
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DALLE: KI in der Produktion

Die Möglichkeiten, welche KI für Wirtschaft und Gesellschaft eröffnet, sind über alle Branchen hoch und aktuell nur im Ansatz abschätzbar. Sie wird Effizienz- und Produktionssteigerungen bringen, eine wichtige Funktion im Innovationsprozess einnehmen und letztendlich neue Business-Modelle hervorbringen.

Weltklasse Standort für KI-Forschung

Die ETH Zürich und die EPFL haben gemeinsam die «Swiss AI Initiative» lanciert. Deren Ziel ist nichts Geringeres, als die Positionierung der Schweiz als «weltweit führender Drehscheibe für die Entwicklung und Umsetzung transparenter und zuverlässiger künstlicher Intelligenz (KI)». Mit einem interdisziplinären Ansatz bringen die AI Center von ETH und EPFL Grundlagenforschung zur Theorie und Methoden von KI mit anwendungsorientierter Forschung zu deren Einsatz zusammen. Der Fokus liegt auf so vielfältigen Anwendungsbereichen wie Gesundheits- und Neurowissenschaften, LegalTech, Fintech, industrieller Produktion, Ingenieurwesen, Handel, Mobilität, Bildung, Robotik, autonome Systeme, Energie oder Nachhaltigkeit. Im Rahmen der Initiative arbeiten die ETHs im engen Netzwerk mit den Schweizer Universitäten und Fachhochschulen sowie unabhängigen Forschungsinstituten und sind auch Teil des europäischen KI-Netzwerks ELLIS (European Laboratory for Learning and Intelligent Systems).

Ein entscheidendes Element für die erfolgreiche Spitzenforschung zu KI in der Schweiz ist die Infrastruktur, die am Nationale Hochleistungsrechenzentrum (CSCS) in Lugano zur Verfügung steht. Das CSCS besteht seit den 1990er Jahren und erneuert seinen Supercomputer laufend. Die bereits vor dem Hype um ChatGPT bestellten Grafikprozessoren des führenden Anbieters Nvidia wurden nun in den neuen Computer ALPS eingebaut. ALPS ist einer der leistungsstärksten Supercomputer der Welt, was der Schweiz einen Vorsprung über andere Länder verschafft, die mit Lieferengpässen von Prozessoren sowie deren steigenden Kosten kämpfen. Das CSCS ist die erste öffentliche wissenschaftliche Institution, welche über diese neuste Generation von Grafikchips verfügt, weshalb die Schweiz nun KI-Berechnungen auf Weltklasse-Niveau durchführen kann. Die Forschungsergebnisse, welche die ETHs mit ALPS erzielen, sollen rechtlichen und ethischen Vorgaben entsprechen und veröffentlicht werden, damit Transparenz und Vertrauen geschaffen werden können. Neben den öffentlichen Institutionen betreiben zudem grosse Tech-Firmen wie Google, HP und IBM zentrale KI-Forschungsstandorte in der Schweiz.

Kaum abschätzbares Potenzial für die Wirtschaft

Aktuell steht die Nutzung in den meisten Unternehmen zwar noch am Anfang, aber in der jüngsten globalen Befragung von McKinsey zum Thema gab dennoch bereits ein Drittel der befragten Führungskräfte aus unterschiedlichen Unternehmen und Branchen an, generative KI in mindestens einer Business-Funktion schon heute regelmässig anzuwenden.

Am häufigsten genannt werden dabei die folgenden Bereiche:

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Am meisten verbreitete KI-Anwendungen in Unternehmen (Quelle: McKinsey, The state of AI in 2023)

Nach dem technischen Durchbruch im vergangenen Jahr ist das Thema Künstliche Intelligenz auch bei mittelständischen Unternehmen angekommen. 60 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass sie ihr Geschäftsmodell aufgrund von KI in den kommenden fünf Jahren anpassen müssen (vgl. NZZ KMU-Barometer 2023). Gerade bei sprachbasierten Tätigkeiten, wie sie beispielsweise im Marketing, Personalwesen, Vertrieb, Finanzen oder auch in der IT vorkommen, können sich für KMU enorme Potenziale zur Produktivitätssteigerung oder Senkung von Gemeinkosten ergeben. Für einen erfolgreichen Kaltstart rät KI-Experte Benjamin Freisberg von KMU.ai zu einem unternehmensinternen Anwendungsfall, der im Verhältnis zu einer möglichst niederschwelligen technischen Machbarkeit den grösstmöglichen wirtschaftlichen Nutzen verspricht.

Wieviel Regulierung ist angezeigt?

Die Entwicklung von KI birgt zweifelsohne auch Risiken: Von einem «Oppenheimer-Moment» bzw. einer «teilweise Entmündigung des Menschen» ist die Rede (vgl. NZZ am Sonntag). Der Ruf, die Anwendung von KI zu regulieren, ist allseits hörbar. Dies betrifft beispielsweise Fragen der Transparenz, des geistigen Eigentums oder der Haftung.

Die wenigsten Unternehmen verfügen bisher über Anwendungs-Policies oder ein Risk-Management in Sachen KI. Der rasante Fortschritt der Technologie macht es zur besonderen Herausforderung, den Überblick über die aktuellen Entwicklungen zu bewahren, aber vor allem auch, zeitnah verbindliche ethische Vorgaben und rechtliche Minimalstandards durchzusetzen und damit Rechtssicherheit zu schaffen.

Die Politik ist deshalb gefordert. In der Schweiz hat der Bundesrat im vergangenen November entschieden, Regulierungsansätze für künstliche Intelligenz prüfen zu lassen. Bis Ende 2024 muss das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation einen Bericht vorlegen, der Ansätze aufzeigt, die mit den bis dahin geltenden internationalen Vorgaben kompatibel sind. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es wünschenswert, dass dabei möglichst viele Aspekte der KI-Regulierung im Rahmen der bereits bestehenden Gesetzgebung erfolgen. Allfällige Lücken sind mit zusätzlicher Regulierung punktuell zu schliessen, damit negative Auswirkungen auf Innovation, Wettbewerb und Kooperation möglichst vermieden werden können.