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Die Folgen der US-Zölle für die Ostschweizer Unternehmen

Die protektionistische US-Handelspolitik trifft die Ostschweiz spürbar – auch den exportstarken Kanton Thurgau. Einige Unternehmen im Thurgau stehen vor strategischen Neuausrichtungen, um ihre Position auf dem US-Markt zu sichern oder neue Absatzmärkte zu erschliessen.
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Am 2. April kündigte Präsident Donald Trump eine Erhöhung der Importzölle an und verschärfte damit die handelspolitischen Spannungen weltweit. Zwar folgte eine Woche später ein teilweiser Rückzieher, bei dem die länderspezifischen Zölle – mit Ausnahme Chinas – für eine Übergangsfrist von 90 Tagen ausgesetzt wurden. Dennoch bleibt das durchschnittliche US-Zollniveau mit eingeführten Basiszöllen von 10 Prozent so hoch wie seit den 1930er-Jahren nicht mehr. Bereits diese Zölle belasten die stark exportorientierte Schweizer Wirtschaft spürbar, und eine mögliche Ausweitung auf insgesamt 31 oder 32 Prozent würde die Auswirkungen noch erheblich verstärken.

Starke Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und USA

Anders als die USA erhebt die Schweiz keine Importzölle mehr auf Industrieprodukte. Darüber hinaus zählt sie zu den engsten Handelspartnern der USA. Als einer der sechs grössten ausländischen Direktinvestoren liegt die Schweiz sogar vor Ländern wie Frankreich oder Südkorea. Sie spielt zudem eine führende Rolle bei Investitionen in Forschung und Entwicklung in den USA und ist der siebtgrösste ausländische Arbeitgeber vor Ort. Im Jahr 2024 belief sich das Handelsdefizit der USA gegenüber der Schweiz auf 38,6 Milliarden Dollar.

Die Schweiz setzt auf den Diplomatischen Weg

Vor diesem Hintergrund setzt die Schweiz verstärkt auf den diplomatischen Dialog, um die Zölle zu senken. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Bundesrat Guy Parmelin haben bereits mehrere Gespräche mit dem US-Finanzminister Scott Bessent sowie dem US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer geführt. Die Schweiz zählt zu den fünfzehn priorisierten Gesprächspartnern der USA und soll zu den nächsten Ländern gehören, mit denen ein «Agreement in Principle» – in Anlehnung an die Vereinbarung mit der UK – angestrebt wird. Der weitere Verlauf bleibt jedoch ungewiss und führt zu Verunsicherung.

Thurgau von den US-Zöllen betroffen

Auch im Kanton Thurgau sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der US-Zölle deutlich spürbar. Im Jahr 2024 gingen rund 7 Prozent der Exporte des Kantons in die USA. Besonders stark betroffen ist die Maschinen- und Metallindustrie, deren Exportvolumen im Vorjahr bei rund 262 Millionen Franken lag. Dabei machen Maschinen etwa 40 Prozent der Exporte in die USA aus dem Thurgau aus. Auch in anderen Branchen liegt der Anteil der Ausfuhren in die USA teils bei über 10 Prozent. Im Gegensatz dazu importiert der Kanton nur rund 16 Prozent aus den USA. Damit verzeichnet der Thurgau im Handel mit den USA einen Handelsbilanzüberschuss. Die US-Zölle haben somit direkte Auswirkungen auf zahlreiche Unternehmen im Kanton.

Welche Massnahmen treffen Sie in Ihrem Unternehmen?

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Antworten nur für Unternehmen, die in die USA exportieren. (Quelle: IHK-Umfrage 2025)

Wirtschaftsaussichten in der Ostschweiz getrübt

Eine gemeinsame Umfrage der Industrie- und Handelskammern St.Gallen-Appenzell und Thurgau zeigt: Die jüngsten handelspolitischen Entwicklungen verunsichern die Ostschweizer Unternehmen. Über 90 % der rund 300 befragten Firmen erwarten negative Folgen für die regionale Wirtschaft vor allem auch, weil die USA nach Deutschland das zweitwichtigste Exportzielland der Region ist. Zwei Drittel der Unternehmen berichten von erhöhter Unsicherheit. Viele verschieben Investitionen – mit negativen Folgen für Zulieferbetriebe und den Dienstleistungssektor. Insgesamt erwarten neun von zehn Ostschweizer Unternehmen negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und rechnen auch mit gestörten Lieferketten und administrativen Zusatzaufwänden.

Ostschweizer Unternehmen suchen neue Wege

Jene Unternehmen, die direkt in die USA exportieren, reagieren vorwiegend mit Preisanpassungen für US-Kunden sowie mit intensiven Kundengesprächen. Die andere Hälfte hat keine Sofortmaßnahmen ergriffen, sondern analysiert die Situation laufend. Einige Exporteure prüfen gar einen Rückzug aus dem US-Markt beziehungsweise eine (Teil-) Verlagerung der Produktion in andere Länder. Demgegenüber erwägt jedes sechzehnte Unternehmen eine stärkere Präsenz oder eine Produktionsausweitung im US-Markt. Massnahmen, die negative Effekte für US-Konsumentinnen und -Konsumenten haben, überwiegen insgesamt deutlich jene im Sinne der US-Zollpolitik. Die US-Zölle verfehlen damit im Falle der Ostschweiz ihre Ziele und rufen sogar adverse Effekte hervor. Die Erwartungen der Ostschweizer Unternehmen hinsichtlich der Entwicklung der Zölle gehen auseinander. Rund 40 Prozent der Befragten gehen von einer Reduktion oder Aufhebung der Zölle aus, während 18 Prozent mit einer Erhöhung rechnen. Dabei setzen 86 Prozent der befragten Unternehmen auf Diplomatie, um die Zölle zu lösen. Gleichzeitig ist die grosse Mehrheit davon überzeugt, dass bestehende Marktzugangsabkommen – u. a. die bilateralen Beziehungen mit der EU – gestärkt und neue Märkte erschlossen werden sollen.

Stabilität durch starke Handelsbeziehungen

Die aktuelle Weltlage und die protektionistische Handelspolitik der USA zeigen, dass die exportorientierte Schweiz auf stabile Rahmenbedingungen angewiesen ist. Der Zugang zum EU-Binnenmarkt – unserem wichtigsten Handelspartner und direkten Nachbarn – ist dabei zentral. Ohne enge, verlässliche Handelsbeziehungen zur EU drohen wachsende Unsicherheiten für die Schweizer Wirtschaft. Die Bilateralen III sind deshalb essenziell, da sie den Zugang zum Binnenmarkt sichern und die wirtschaftliche Stabilität der Schweiz langfristig festigen. Gleichzeitig braucht es eine gezielte Öffnung gegenüber weiteren Märkten. Neue Freihandelsabkommen mit dem Mercosur, Vietnam, Malaysia und mittelfristig auch mit den USA sind notwendig. Ebenso wichtig ist die rasche Umsetzung des Abkommens mit Indien und die Modernisierung des Abkommens mit China.